Das Problem: Jahrelang keine Betriebskosten abgerechnet – und jetzt?
Sind Betriebskostenvorauszahlungen im Mietvertrag vereinbart, muss der Vermieter darüber jährlich abrechnen, § 556 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Mancher Vermieter rechnet allerdings über mehrere Jahre nicht ab.Nach all diesen Jahren kommt der Vermieter nun erstmals auf die Idee, eine Betriebskostenabrechnung für den letzten Abrechnungszeitraum zu erstellen, also nicht über die gesamten Jahre, sondern nur über die letzte Abrechnungsperiode. Natürlich kommt es, wie es kommen muss: Die Betriebskostenabrechnung weist für alle Mieter eine Nachzahlungaus.
Die Mieter sind damit natürlich nicht einverstanden. Sie sind der Ansicht, dass es aufgrund der jahrelangen Nichtabrechnung der Betriebskosten
- entweder zu einer Mietvertragsänderung in Form einer Betriebskostenpauschale gekommen ist
- oder das Recht des Vermieter zur Erstellung einer Betriebskostenabrechnung verwirkt ist
Zur Betriebskostenpauschale ist zu erläutern, dass nach § 566 Abs. 2 Satz 1, 1. Alternative BGB die Zahlung der Betriebskosten als Pauschale vereinbart werden kann. Dabei sind mit der Pauschale alle Betriebskosten abgegolten, so dass keine Betriebskostenabrechnung zu erstellen ist und daher auch keine Nachforderungenmehr erhoben werden dürfen.
Demgegenüber bedeutet die gesetzlich nicht geregelte Verwirkung, dass ein bestimmtes Recht nicht mehr geltend gemacht werden kann, weil seit der Möglichkeit der Geltendmachunglängere Zeit vergangenist und besondere Umstände hinzutreten, auf derer die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben empfunden wird. Mit anderen Worten: Die Mieter meinen, der Vermieter darf keine Betriebskostenabrechnung mehr erstellen, weil das über mehrere Jahre nicht geschehen und dieses Vermieterrecht daher verwirkt ist.
Von diesem„Grundfall“,dass der Vermieter jahrelang keine Betriebskosten abgerechnet hat und nun erstmalig eine Betriebskostenabrechnung mit Nachforderungen erstellt, gibt eszwei Varianten:
- Erste Variante
Der Vermieter hat zwar alljährlich eine Betriebskostenabrechnung erstellt. Er hat es aber jahrelang unterlassen, eine bestimmteim Mietvertragvereinbarte Betriebskostenartin die Abrechnung einzustellen, was jetzt erstmalig geschieht.
- Zweite Variante
Im Mietvertrag sind nur Vorauszahlungen für bestimmte Betriebskostenarten festgelegt. Trotzdem wird in der Betriebskostenabrechnung über Jahre hinweg auch über weitere, nicht im Mietvertrag vereinbarte Betriebskostenarten abgerechnet, wobei diese auch bezahlt werden. Nun ist ein Mieter nicht mehr bereit, die im Mietvertrag nicht genannten Betriebskostenarten zu zahlen.
Der Grundfall: Jahrelang nicht abgerechnete Betriebskosten werden erstmalig abgerechnet
Die Karlsruher Richter stellten sich auf die Seite des Sohnes als neuen Vermieter. Sie führten aus, dass
- keine Betriebskostenpauschale vereinbart worden sei. Trotz des langjährigen Unterlassens der Betriebskostenabrechnungen habe kein Wille der Vermieterinvorgelegen, die bestehenden Mietverträge abzuändern. Zwar könne eine Vertragsänderung auch stillschweigend erfolgen. Das setze aber ein Verhalten voraus, dass eine solche Änderung gerichteten Willen erkennen lässt. Ein solcher Wille oder besondere Umstände, wonach die Vermieterin die Mietverträge zu ihrem Nachteil abändernwollte, seien nirgends zu erkennen.
- keine Verwirkung gegeben sei. Neben dem langjährigen Unterlassen der Betriebskostenabrechnungen müssten für eine Verwirkung besondere Umstände hinzukommen, durch die für die Mieter ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden sei, aufgrund dessen die spätere Geltendmachung des Rechts zur Abrechnung treuwidrig erscheine. Solche Umstände seien jedoch nicht ersichtlich,
Daher mussten die Mieter die Nachforderungen aus den Betriebskostenabrechnungen zahlen (BGH, Urteil vom 13.02.2008, Az.: VIII ZR 14/06).
Erste Variante: Jahrelang nicht abgerechnete Betriebskostenart wird erstmalig abgerechnet
Wurde eine bestimmte Betriebskostenart (Hausmeisterkosten), deren Umlage mietvertraglich vereinbart ist, jahrelang in der Betriebskostenabrechnung „vergessen“, kann der Vermieter diese trotzdem in der nächsten Abrechnunggeltend machen. Denn durch den jahrelangen Verzicht auf diese Kostenart wird kein Vertrauenstatbestanddahingehend geschaffen, dass der Vermieter auch künftig auf diese Betriebskosten verzichtet (Amtsgericht (AG) Frankfurt/Main, Urteil vom 08.09.2015, Az.: 33 C 1729/15 (29).
Zweite Variante: Jahrelang abgerechnete Betriebskostenart wird erstmalig vom Mieter abgelehnt
Für eine stillschweigende Vertragsänderung wäre es erforderlich gewesen, dass der Vermieter nach den gesamten Umständen davon ausgehen durfte, dass der Mieter damit einverstanden ist, auch die nicht vereinbarten Betriebskostenarten zu zahlen. Dafür reicht es aber nicht aus, wenn der Mieter keine Einwände gegen die Abrechnung erhebt und stattdessen die Nachforderungen zahlt. Vielmehr kommt in der Zahlung nur der Wille des Mieters zum Ausdruck, eine vermeintlich bestehende Forderung des Vermieters zu erfüllen, zu deren Zahlung der Mieter sich verpflichtet glaubt (BGH, Urteil vom 10.10.2007, Az.: VIII ZR 279/06).
Ich habe dazu aber eine speziellere Frage. Wenn jahrelang z.B. die Treppenhausreinigung nicht in den Betriebskosten abgerechnet wurde, der Hausverwaltung aber nun auffällt, dass sie dies vergessen hat. Muss dann die Abrechnung dieser vergessenen Kostenart angekündigt werden, bevor sie im neuen Jahr abgerechnet wird? §560 sieht dies für neue Betriebskosten vor, aber gilt dies auch für jahrelang vergessene Kosten? Oder darf man diese nun mit Verweis auf die ebenfalls vergessene Ankündigung verweigern?
Hallo Helena,
lesen Sie am besten im Artikel oben nach – genau damit befasst sich der Beitrag.
Viele Grüße
Dennis Hundt
Ist es richtig, dass die Verwirkung des Rechts auf Nachforderung eines Vermieters dann aufgehoben wird, wenn der Mieter darauf besteht, alte Betriebskostenabrechnungen rückwirkend zu erhalten?
Hallo Birgit,
das ist nicht richtig.
Viele Grüße
Dennis Hundt
Bei uns hat der Vermieter seit dem Kauf des Gebäudes (2012) noch nie eine Nebenkostenabrechnung erstellt / vorgelegt. Gestern (01.01.25) hat er bei uns im Briefkasten einen offenen Umschlag mit der Nebenkostenabrechnung für 2023 abgelegt. Er möchte 1950 € von uns haben.
Ist das rechtens ? Wir haben beim vorherigen Besitzer immer ein Guthaben gehabt. Unsere Warmmiete ist 650,00 € (500 € und 150 € NK).
Hallo NOrmansell,
die Nebenkostenabrechnung für 2023 hat sie höchstwahrscheinlich zu spät erreicht?, da der Vermieter die Abrechnungspflicht innerhalb der gesetzlichen Frist von 12 Monaten nicht eingehalten hat (§ 556 Abs. 3 BGB). Das bedeutet, die Abrechnung für 2023 musste Sie bis spätestens 31.12.2024 erreichen hätten müssen.
Die Abrechnung genau prüfen, und fordern Sie den Vermieter auf, auch für die Vorjahre an Nebenkostenabrechnungen zu erstellen. Beachten Sie die Verjährung.
Für die Vorjahre ist der Anspruch des Vermieters auf eine Nachzahlung jedoch verjährt, falls keine Abrechnung erfolgte. Sie sollten die Abrechnung genau prüfen, insbesondere ob die angesetzten Kosten plausibel und korrekt auf die Mietparteien umgelegt wurden. Falls Zweifel bestehen, können Sie Einsicht in die Originalbelege verlangen.
Viele Grüße
Dennis Hundt
Hallo,
meine Schwiegermutter (Vermieterin) hat über mehrere Jahre (ab 2015) keine Nebenkosenabrechnung mehr gemacht. Wir haben das im letzten Jahr herrausgefunden und für das letzte Jahr wieder eine Nebenkostenabrechnung gemacht.
Jetzt fordert der Mieter (zusammen mit Mieterschutzbund) die ausstehenden Abrechnungen.
Muss ich diese Vorlegen?
Sind sich daraus ergebende Forderungen Verjährt?
Sind Guthaben seitens des Mieters verjährt?
Viele Grüße
Oliver
Hallo Oliver,
nach § 199 BGB verjähren Nachforderungen und Guthaben grundsätzlich nach drei Jahren zum Jahresende. Falls also noch ein Guthaben aus den letzten drei Jahren besteht, könnte der Mieter dieses einfordern. Ältere Guthaben sind verjährt. Nachforderungen von Ihnen als Vermieterin für Abrechnungen, die nicht rechtzeitig erstellt wurden, können ohnehin nicht mehr geltend gemacht werden (12 Monate Abrechnungsfrist). Sie müssen also nur für die Jahre abrechnen, in denen eine Frist noch nicht verstrichen ist.
Viele Grüße
Dennis Hundt
Hallo Herr Hundt,
Vielen Dank für die schnelle Antwort.
Kann der Mieter trotz Verjährung auf die Ausstellung der Nebenkostenabrechnung bestehen, auch wenn die Forderung oder Guthaben daraus verjährt sind?
Der Mieterbund verlangt alle Abrechnungen ab 2016 und spricht von durchsetztbaren Anspruch.
Dem Mieterverein müssen ja auch die Fristen bekannt sein.
Herzlichen Dank für die große Hilfe.
Oliver
Hallo Oliver,
ja, der Mieter kann m.E. auch nach Eintritt der Verjährung weiterhin die Nebenkostenabrechnungen verlangen. Die Verjährung betrifft nur finanzielle Ansprüche (Nachzahlungen oder Guthaben), nicht aber das Recht auf eine Abrechnung selbst.
Der Vermieter ist nach § 556 BGB verpflichtet, eine Abrechnung zu erstellen. Auch wenn Ansprüche aus Abrechnungen, die älter als drei Jahre sind, verjährt sind, bleibt die Pflicht zur Erstellung bestehen. Der Mieterbund hat daher recht, wenn er den Anspruch auf die Abrechnungen geltend macht, selbst wenn daraus keine finanziellen Forderungen mehr entstehen können.
Viele Grüße
Dennis Hundt
Guten Tag,
Meine Vermieterin hat mehrere Jahre das abrechnen der Betriebskosten Winterdienst vergessen und sie in der letzten Abrechnung zusammen addiert und uns in Rechnung gestellt, was 400 € beträgt. Ist es rechtens, dass sie ohne Ankündigung dieser für mich neuen Betriebskosten diese auch noch sogar rückwirkend berechnet?
Mit freundlichen Grüßen Geerling
Hallo Annette,
nein, das ist so nicht zulässig. Betriebskosten müssen jährlich abgerechnet werden, und Nachforderungen dürfen nur innerhalb von 12 Monaten nach Ende des Abrechnungszeitraums geltend gemacht werden (§ 556 Abs. 3 BGB). Rückwirkende Nachforderungen für längst abgelaufene Jahre sind ausgeschlossen, sofern die Verspätung nicht auf vom Vermieter unverschuldete Umstände zurückzuführen ist.
Außerdem muss eine Kostenart wie der Winterdienst im Mietvertrag ausdrücklich als umlagefähig genannt sein. Wurde dies zuvor nie berechnet und nicht angekündigt, stellt die plötzliche Nachforderung über mehrere Jahre eine unzulässige Überraschung dar. Sie müssen die 400 € daher voraussichtlich nicht zahlen.
Viele Grüße
Dennis Hundt